27.04.2012

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man muss aufhören, bevor man alles gesagt hat.
manche haben alles gesagt, bevor sie beginnen.


elias canetti
[aus: die provinz des menschen, aufzeichnungen 1942 - 1972]

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26.04.2012

landschaft

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foto: marianne rieter



landschaft dulde mich
eine menschenzeit
besänftige mein ungestüm
den wellenschlag meiner tage

still werden
nur kurzen schatten werfen
damit das zwiegespräch
nicht abreisst zwischen
berg und see
wiese und baum

morgen- und abendlicht
weben an mir
legen an die tage
saum über meine
spanne hinaus


eveline hasler
[aus: auf wörtern reisen, gedichte - pendo]
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25.04.2012

eigenartig.

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eigenartig, wie das wort eigenartig es fast als fremdartig hinstellt,
eine eigene art zu haben.


erich fried

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24.04.2012

dans un abri ...

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dans un abri nous conversons
avec des pierres, des musiques
le cerisier n’est pas tous les jours
dans sa saison de fleurs, nous sommes
des valseurs nous valsons


in einem versteck sprechen wir
mit steinen, innerer musik
der kirschbaum blüht ein einziges mal im jahr
sind wir walzertänzer wir drehen uns im kreis


albane gellé
[aus: nous valsons - éditions potentille]
deutsche fassung von tom schulz – gefunden bei lyrikline
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23.04.2012

es gibt ...

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es gibt jahre, die fragen stellen und jahre, die sie beantworten.

zora neale hurston

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22.04.2012

für einen augenblick

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für einen augenblick
seine stimme im sande
vergraben,
einen nachfolger suchen,
der in gestalt eines vogels
sich ihrer bedient.

für die künftigen vokale
sind die leimruten indessen
schon ausgelegt.


karl krolow
[aus: unsichtbare hände - suhrkamp]
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21.04.2012

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sieh diese wolkenlandschaft mit ihren himmelsstreifen! beim ersten blick möchte man meinen, die tiefe sei dort, wo es am dunkelsten ist, aber gleich nimmt man wahr, dass dieses dunkle und weiche nur die wolken sind und dass der weltraum mit seiner tiefe erst an den rändern und fjorden dieser wolkengebirge beginnt und ins unendliche sinkt, darin die sterne stehen, feierlich und für uns menschen höchste sinnbilder der klarheit und ordnung. nicht dort ist die tiefe der welt und ihrer geheimnisse, wo die wolken und die schwärze sind, die tiefe ist im klaren und heiteren.


[aus: das glasperlenspiel]
bei diesem bild gefunden
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20.04.2012

ich bin nicht ich

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ich bin nicht ich.
ich bin jener,
der an meiner seite geht, ohne dass ich ihn erblicke,
den ich oft besuche,
und den ich oft vergesse.
jener, der ruhig schweigt, wenn ich spreche,
der sanftmütig verzeiht, wenn ich hasse,
der umherschweift, wo ich nicht bin,
der aufrecht bleiben wird, wenn ich sterbe.

juan ramon jiménez
gefunden bei wildgans
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19.04.2012

dort.

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du findest dich dort, wo du dich verlierst.


eva cader-benedix

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18.04.2012

nur eine rose als stütze

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ich richte mir ein zimmer ein in der luft
unter den akrobaten und vögeln:
mein bett auf dem trapez des gefühls
wie ein nest im wind
auf der äussersten spitze des zweigs.

ich kaufe mir eine decke aus der zartesten wolle
der sanftgescheitelten schafe die
im mondlicht
wie schimmernde wolken
über die feste erde ziehn.

ich schliesse die augen und hülle mich ein
in das vlies der verlässlichen tiere.
ich will den sand unter den kleinen hufen spüren
und das klicken des riegels hören,
der die stalltür am abend schliesst.

aber ich liege in vogelfedern, hoch ins leere gewiegt.
mir schwindelt. ich schlafe nicht ein.
meine hand
greift nach einem halt und findet
nur eine rose als stütze.


hilde domin
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17.04.2012

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der wahre weg geht über ein seil, das nicht in der höhe gespannt ist, sondern knapp über dem boden. es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden.


franz kafka

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16.04.2012

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der mensch, der blüht, ist der mensch, der ist, nicht der mensch, der wird.

krishnamurti

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15.04.2012

ich bin ...

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ich bin schön,
ich bin stark,
ich bin weise,
ich bin gut.

und ich habe das alles
selbst entdeckt!


stanislaw jerzy lec
gefunden bei monalisa
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14.04.2012

und ...

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und wie kann sich jemand ändern man musz sein wie man ist...


friederike mayröcker

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13.04.2012

nur dich

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der himmel trägt im wolkengürtel
den gebogenen mond.

unter dem sichelbild
will ich in deiner hand ruhn.

immer muss ich wie der sturm will,
bin ein meer ohne strand.

aber seit du meine muscheln suchst,
leuchtet mein herz.

das liegt auf meinem grund
verzaubert.

vielleicht ist mein herz die welt,
pocht –

und sucht nur noch dich –
wie soll ich dich rufen?


else lasker schüler
an gottfried benn
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12.04.2012

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ihr sollt nicht eure flügel falten,
damit ihr durch türen kommt...


khalil gibran

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11.04.2012

la lumière ...

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la lumière jaillira
parsemant mes silences
de sourires de joie
qui meurent et recommencent


jacques brel
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10.04.2012

momentaufnahme.

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foto: christiane bäcker




handzahme wörter
wie zahlen oder namen

wieder die schutzlosen
zeilen kaschiert

draussen blühen magnolien
sie sehen aus wie tauben


marianne rieter
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09.04.2012

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stark sein bedeutet, fühlen können.

fernando pessoa

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08.04.2012

walzer für niemand

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niemand kommt rein und setzt sich hin
den fuss auf'n tisch, hand unter's kinn
niemand isst hungrig mein frühstücksmenü
niemand kommt immer zu früh

niemand, ich habe geschenke für dich
was wär ich geworden, gäb es dich nicht
meine gesammelten werke - bitte sehr
alles gehört dir

niemand, niemand kennt mich wie du
unbedingt, ich geb alles zu
keine enttäuschung, kein einziges mal
aber dir ist eh alles egal

niemand, siehst du's, ich wachse nicht mehr
meine hände sind füsse, niemand, schau her
bald bin ich nichts und das, was dann bleibt
ist deine wenigkeit

niemand, was, was willst du?
immer bist du hier
niemand, was, was willst du?
von mir?
von mir?
von mir?


sophie hunger
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:-)

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ostern: friede, freude, eiersuchen.


karlheinz karius

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07.04.2012

morgen...

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licht bricht
durchs fenster
im kopf
ganz leise
ein alter cohen-song
zwischen den reben
lauert eine katze
auf den tag


marianne rieter
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06.04.2012

man kann ...

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man kann sich nicht niederschreiben.
man kann sich nur häuten.


max frisch

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05.04.2012

heiterer frühling

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foto: marianne rieter



ausgelaufene malkästen:
farbiges idyll
vom frühling

ein blumenmarkt entsteht
in der frühen wärme.

aus einem gedicht
fliegt eine weibliche taube.

die luft ist
voller rosa handzettel.

ein begonnenes lied
nimmt kein ende -
alle notenschlüssel
gingen verloren.


karl krolow
[aus: gesammelte gedichte 2 - suhrkamp]
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04.04.2012

widerspruch

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sag nicht, es sei, wie es sei
so ist es nicht
im zweifelsfall leugne ich alles
um mich nicht zu verleugnen
noch dich
noch den himmel
der in klaren nächten sehr tief ist
und die welt eine andere


eva cader-benedix
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03.04.2012

ins herz.

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wie der tiefe stein ins herz fällt geht nichts
geradeaus aber pflanzt in wellenkreisen sich fort


friederike mayröcker

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02.04.2012

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cuno amiet
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01.04.2012

klappentext für eine sphinx.

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als ich aus dem fenster schaute, merkte ich,
dasz da ein fahler schmetterling torkelte...
- friederike mayröcker


im namen der rose und der liebe
und der heiligkeit von hüllenloser
haut handeln die träume wie damals
als wir fast nicht mehr kinder waren
aber augenfällig blutarm ist alles
was dich treibt diesig umrissen
nichts was dich nährt oder hält


marianne rieter
[aus: fortsetzung folgt - verlag im proberaum]
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