31.01.2011

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zuckerwatte.


manchmal träumt sie
von spitzbergen und
sortiert ihr leben nicht
neu nur etwas anders fast
möchte man glauben es
gelingt an diesem morgen
ohne fragen im gesicht mit
dem geschmack von zucker
watte im mund ein fisch
verfault zuerst im kopf
sagt er meistens
ist es anders


marianne rieter
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30.01.2011

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29.01.2011

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... du sollst nie aufhörn zum lernen
arbeit mit der phantasie
wanns d dei glück gerecht behandelst
dann valassts di nie
und du sollst vor liebe brennen
und vor begeisterung!
weil dann bleibst für immer jung.

wenn du willst, wenn du wirklich, wirklich
willst bleibst immer jung...


andré heller
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28.01.2011

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we do not grow absolutely, chronologically. we grow sometimes in one dimension, and not in another; unevenly. we grow partially. we are relative. we are mature in one realm, childish in another. the past, present, and future mingle and pull us backward, forward, or fix us in the present. we are made up of layers, cells, constellations.


anais nin
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27.01.2011

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schnipsel #147


von parallelwelten, bleibenden erlebnissen und künftigen projekten resp. catch a falling star! :::: vom drücken und stossen und anderen denkwürdigen unterschieden sprachlicher gepflogenheiten :::: ein unterschriftstermin in den bergen und allfällige weitere speku- lationen :::: waiting for my pony :::: von weichen blättern, farbigen buchstaben und einem gmögigen geschichtenerzähler :::: mutmassungen über mögliche schlussfolgerungen unter berücksichtigung einer farblich kritischen schieflage oder eine herausforderung in grautönen :::: again! oder erneute kollisionen trotz verändertem blickwinkel :::: über die pein- lichkeit von postpubertären aufplusterungen resp. nehmt euch doch nicht ganz so wichtig, jungs! :::: bezugspersonen und familiensinn sowie die spitzige antwort auf eine gut gemeinte frage resp. raclette mit eidechsen bzw. ein schöner abend unter der europabrücke :::: du schaffst das, chrugeli! ::::
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26.01.2011

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beim kongress der gottheiten
kam es zum erwarteten eklat
zunächst protestierten die halbgötter
gegen ihre diskriminierung seitens der oberen ränge
dann versickerte der wettbewerb der absoluten wahrheiten
in einem sitzstreik der einzelgötter
schliesslich fielen
mit donnerndem getöse
sämtliche götterfamilien übereinander her
um ein haar
wäre der ganze landstrich
in einen gottlosen zustand versunken
doch sollten wir
angesichts der gewohnheit der ewigen
sich zu perpetuieren
von übereilten schlussfolgerungen absehen


alfred brendel
[aus: kleine teufel – hanser]
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25.01.2011

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goldener schnitt.


ich sammle nichts.
nur wörter und wort.
- beat brechbühl


im atem von weichem papier
in farben und formen der sinne

geschichtenerzähler
mit haut und mit haar gemittet
in allem so scheint es vielleicht

doch mit flattersatzrändern
die leuchten


marianne rieter
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24.01.2011

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die sprache tastet wie die liebe im dunkel der welt einem verlorenen urbild nach.
man macht nicht, man ahnt ein gedicht.


karl kraus
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23.01.2011

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foto: marianne rieter



in zürich


an diesem dezembermorgen
das kreischen der möwen
im hof und über den dächern
es weht uns das meer herein
schickt uns den ozean
in unsere küche
wo wir mahlzeit halten
zu zweit o möwen!
ihr bringt uns
meldung von brandung
von schiffen gezeiten
und nachricht vom
meermond dem über uns
lächelnden


oskar pfenninger
gefunden bei fixpoetry
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22.01.2011

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der mensch zerfällt in zwei teile: in einen männlichen, der nicht denken will, und einen weiblichen, der nicht denken kann. beide haben sogenannte gefühle: man ruft diese am sichersten dadurch hervor, dass man gewisse nervenpunkte des organismus in funktion setzt. in diesen fällen sondern manche menschen lyrik ab.


kurt tucholsky
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21.01.2011

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EINFACH SO?
ACH, SO FEIN!


marianne rieter
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20.01.2011

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lebenslied


die käfer der nacht
kommen.
sie wandern über deine hände in die welt.
es hat ein wind dich quer
gelegt über die schluchten.
du bist die brücke und weisst es nicht.

so schlaf denn, schlafe: wimpern sind nicht zeichen mehr.

es hat ein wind dich quer
gelegt über die schluchten.
du bist die brücke, doch du weisst es nicht.

die käfer der nacht
kommen.


paul celan
[aus: die gedichte, kommentierte gesamtausgabe - suhrkamp]
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19.01.2011

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schwarz


verwandlungen
geschehen über nacht.

die erste der sieben
weisheiten des schnees.

wie lange das staunen anhält
über eine einzige farbe.

tage mit schalldämpfer.

aus der bäckerei an der ecke
duftet es wärmer als sonst.

eine einsame krähe.
schwarz, ruft sie, schwarz
ist alle poesie.


rainer malkowski
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18.01.2011

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aber es sind worte besonderer art, die begeisterung entfachen, solche, die raum und zukunft enthalten, weite überallhin. was krumm und vergeblich im menschen einge- schlossen war, dehnt sich plötzlich in ungeheurer eile nach hundert seiten hin aus, in seinen worten berührt er kreuz und quer anfang und ende und mitte der welt.


elias canetti
[aus: alle vergeudete verehrung, aufzeichnungen 1949-1960 – hanser]
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17.01.2011

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gehn wir in die sätze, wörter jäten.


manfred hinrich
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16.01.2011

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wissen, sagen


die musiker mit ihren tönen
wissen was sie sagen
was sie mit ihren tönen sagen
das wissen die musiker
auch die maler mit ihren farben
wissen was sie sagen
was sie mit ihren farben sagen
das wissen die maler
ebenso die bildhauer mit ihren plastiken
wissen was sie sagen
was sie mit ihren plastiken sagen
das wissen die bildhauer
gleichfalls die tänzer mit ihren bewegungen
wissen was sie sagen
wissen was sie mit ihren bewegungen sagen
das wissen die tänzer
schliesslich die architekten mit ihren gebäuden
wissen was sie sagen
was sie mit ihren gebäuden sagen
das wissen die architekten
hingegen die poeten mit ihren wörtern
wissen diese was sie sagen
was sie mit ihren wörtern in wahrheit sagen
wissen das jemals die poeten


ernst jandl
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15.01.2011

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fangspiel


du darfst dich nicht fangen lassen von
den türen immer barfuss gehen die
wimpern gestutzt nie mehr als dreimal
am selben tag dasselbe wort sagen
schon gar nicht ungeflüstert schneller
sein als alles elektrische in der küche die
alten rezepte mit blauen kräutern
aufmischen die goldmedaillen wenn die
gänse ziehen aus dem fenster werfen
oder in den fluss wo die forellen
springen jeden tag eine beere auch im
winter niemals vor einem fenster stehen
bleiben fotos allerhöchstens unter tag
weder ver- noch vorbeugungen immer
nur selber haschen und sich vor allem
nie berühren lassen von diesen bleichen
fingern im gebüsch


andreas münzner
[aus: zwischen den zeilen heft 24 – herausgegeben von urs engeler]
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14.01.2011

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die flügel. die sehnsucht. meine reise.
monate im flug. monate unter dünnem eis.
in mir eine fröhlichkeit, in der die amseln baden.
in mir die küsten aus frost und rauch.
ich zeichne mein leben in einfachen strichen.
ich sammle das spärliche licht.


werner lutz
[aus: ich brauche dieses leben - suhrkamp]
gefunden bei quersatzein von brigitte fuchs
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13.01.2011

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orientierung


mein herz, diese sonnenblume
auf der suche
nach dem licht.

welchem
der lang vergangenen schimmer
hebst du den kopf zu
an den dunklen tagen?


hilde domin
[aus: rückkehr der schiffe - fischer]

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12.01.2011

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zärtlichkeit,
ich sage: zärtlichkeit.


ich sage: zärtlichkeit und denke
an stunden der freundschaft,
an jene augenblicke, die
die zeit der zärtlichkeit künden,
die für alles gute kommt,
diese ganz andere luft,
die sich anschickt, zu dauern.


guillevic
[aus: zärtlichkeit, ich sage: zärtlichkeit.]
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11.01.2011

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geduld ist das schwerste und das einzige,
was lernen sich lohnt.
alle natur, alles wachstum,
aller friede, alles gedeihen und
schöne in der welt beruht auf geduld,
braucht zeit, braucht stille,
braucht vertrauen.


hermann hesse
gefunden bei gabi anna c/o fotocommunity
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10.01.2011

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die eigne wahrheit suchen


die eigne wahrheit suchen
jahrelang
endlich
in ihrem schatten sitzen
und ringsum wüste

nicht wissen
ob noch karawanen ziehn


irène bourquin
gefunden bei fixpoetry
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09.01.2011

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schon seit langem scheint mir,
das einzige, was zu beschreiben sich lohnt,
ist das licht, seine abarten und seine ewigkeit.

andrzej stasiuk
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08.01.2011

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es war ihm unmöglich, die wörter nicht in dem besitz ihrer bedeutungen zu stören.


georg christoph lichtenberg
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07.01.2011

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bleibende schäden.


in dieser stadt beisst der wind sich ins gesicht
fällt der schnee so leicht und leise kreuzen
blicke sich anders als sonstwo brennen meine
augen meene oogen wenn ich gehe. sterne
wachsen aus dem asphalt alte männer öffnen
die arme halten mich an. die tauben fliegen
hoch in dieser stadt offene briefe an den
lächerlichen füssen das untrügliche zeichen
erkannt zu sein von dieser freundlichen wärme
die meine linkische nacktheit vielleicht rührt
in dieser stadt verspricht ein frosch was er
zu halten vermag nur weiss jene verkleidete
prinzessin nichts von ihrem glück eine zarte
tänzerin mit traurigem blick auf blankem
parkett in einem raum mit abertausend
fluchtwegen türen herzen wörtern und linien
in dieser stadt sind die bettler schweigsam
wie hunde die häuser erzählen geschichten
aus zerbrechlichem licht hinter den fenstern
tragen stimmen helle töne ins innere meiner
landschaft in dieser stadt möchte man bleiben


marianne rieter
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06.01.2011

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licht


es gibt sätze
die heilen

und tage
leichter als luft.

es gibt eine stimme
die ich wiedererkenne

noch bevor sie
mich ruft.


klaus merz
[aus: aus dem staub, gedichte - haymon]
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05.01.2011

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es gibt stunden im leben, wo wir gar nicht begreifen können, warum wir so guter dinge sind. munterkeiten stellen sich weder auf befehl noch auf wunsch ein: sie sind plötzlich da, können aber ebenso eigensinnig, wie sie herbeizufliegen kamen, wieder verschwunden sein.


robert walser
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04.01.2011

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freundschaft II


wir wissen wir können
einander engel sein
wir können
einander beflügeln
mit worten und träumen
die tief in die seele
des anderen blicken lassen
und wir lassen
einander zu
einander sein und frei
und frei sein und
einander in die karten schauen

wir wissen wir können
einander vertrauen


connor fairuza angilotti
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03.01.2011

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foto: marianne rieter



nur nicht enden möge diese seligkeit dieses lebens nur nicht enden ich habe ja erst angefangen zu schauen zu sprechen zu schreiben zu weinen und hinter den jalousien das mich scheuchende licht des morgens, oh sprieszendes blut und blüte des leibes, 'privatisierung der literatur' (jd), wahnwitz der heiligkeit dieses lebens das ich ans herz (drücke), das mir so teuer – wahrlich dieser mich umarmende horizont gabe meiner bekenntnisse während wehende veilchen.


friederike mayröcker
[aus: dieses jäckchen (nämlich) des vogel greif. gedichte 2004-2009 - suhrkamp]

02.01.2011

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imperfekt


ich lernte noch, ohne
es zu merken. hallo-sagen:
das war erst vorgestern.
so einfach war da noch
verständigung. man glaubte schnell
über alles nötige
bescheid geben zu können.
und ein zuruf kam niemals allein.
alles wurde im präsens gesprochen.
so selbstverständlich gegenwärtig
blieb alles.
wer konnte ahnen, dass einmal
daraus imperfekt würde.
einiges ist schon zweite vergangenheit.
und die museen
für alte gewohnheiten
bleiben montags geschlossen.
man kann
sich nicht einmal selber besichtigen,
wenn einen der mut dazu
überkommt.


karl krolow
[aus: gesammelte gedichte 4 - suhrkamp]
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01.01.2011

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happy 2011 euch allen!
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