30.09.2010
29.09.2010
das schöne trat mir so still entgegen. auffälligkeiten und unauffälligkeiten gaben sich die hand und waren wie verschwistert. das bedeutende zerrann, und ich widmete den unbedeutenden dingen eine genaue achtsamkeit und war sehr glücklich dabei. so vergingen die tage, wochen, monate…
robert walser
[aus: das frühjahr, 1915]
28.09.2010
laub, im auge gespiegelt, der gebrochene nacken
beschreibt, wie das ist, vogel zu sein und gegen ein
laub zu fliegen, gespiegelt im blanken himmel:
eine wirre erinnerung an die freude, auf seine
begegnung mit jemandem zuzustürzen, der einem so gleicht
tua forsström
[aus dem schwedischen von eva cader-benedix]
27.09.2010
eine hand
klein, leicht,
an einen vogel erinnernd,
der plötzlich auffliegt,
sich anderswo
niederlässt -
ohne empfinden für das bedauern,
mit dem man ihm nachblickt,
unbekümmert um unsere hoffnung
auf eine erneute
annäherung,
die nichts besagen würde,
natürlich nicht,
die ganz und gar nichts
besagt.
rainer malkowski
[aus: hunger und durst]
26.09.2010
inner voyage
geräusche nehmen
ab
je weiter wir
auf dem weg
vorankommen bilder
loslassen
städtenamen
vergessen
dem
immer
blasser
werdenden saum
der dinge
entlang
windungen
nach innen
ins weisse
eveline hasler
[aus: auf wörtern reisen - pendo]
25.09.2010
zwei verlassene stühle im park
bei einbruch des herbstes
als alle im haus waren
fielen meuchlings die blätter
zerzauste der wind das gestühl
den pelz des nahenden wolfs
und sammelte unsre bedenken.
elisabeth borchers
[aus: alles redet, schweigt und ruft - suhrkamp]
24.09.2010
augenschein
alles ist augenschein.
die bäume haben
einen grünen atem.
aus einem schritt
wird ein luftsprung.
die erde ist nicht mehr
fest unter den sohlen.
der kleine himmel
eines blauen wassers.
die fröhlichkeit ist
ein junges tier.
ohne flügel nimmt sie
ihren weg nach oben.
karl krolow
[aus: gesammelte gedichte 2 - suhrkamp]
23.09.2010
schliesslich erlösen
wir uns mit der üblichen
zeitung, starkem kaffee
und einem schnellen adieu
von dem übel, für heute
gerettet zu sein.
hans-ulrich treichel
[in: morgenliebe, aus: seit tagen kein wunder - suhrkamp]
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