10.09.2012

aus dem tagebuch eines unbekannten poeten - dienstag

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ich bin voller schubladen. in jeder eine tante oder ein cousin. eine nachbarin mit blumentopf, darin ein kreischender krokus. besser lebte ich auf schienen und fremde führen über mich hinweg.
sie tragen schöne abzeichen mit spechten und wassermühlen. wie maschen einer gewendeten strickjacke schauen sie mich an. wären sie aus glas müsste ich jeden abend ihre scherben einsammeln.
unmerklich. unhörbar. so zerspringen sie den ganzen tag lang in mir.
wahrscheinlich liebe ich sie. woher kann ich das wissen. ich fürchte mich -- sie atmen in mein haar. sie sprechen.
ich versuche nicht, es zu hören. ich schreibe:

manchmal denke ich: sie stören
sie sind zu nah -- wie fäden von kleidung
sie zögern nicht, an die seienden zu erinnern: dann
gehen wir hinaus auf die strassen und in die parks

meine menschen, mit denen mir zu leben
bestimmt ist -- sie nehmen mich wie
schlüssel vom tisch: mit mir schliessen sie
sich ein doch auf dem türrahmen

ist nur ihre körpergrösse: ihre! von mir
ist hier alles allerorten verborgen und
nichts öffentlich (ausser strassen und parks)

manchmal denke ich: ich störe sie -- sie offenbarten
mir alles ich halte selbst sie im verborgenen
sie sind meine schätze ich bin ihr einziger pirat


kęstutis navakas
aus dem litauischen von claudia sinnig – gefunden bei lyrikline
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